• Wolle

    Sie hat es schon wieder getan

    Nein, ich reiße weder Jacketts noch Pyjama-Hosen anderer Menschen auf, wie das Film-Zitat aus einem meiner Lieblingsfilme «Is‘ was, Doc?» mit Barbra Streisand und Ryan O’Neil aus dem Jahr 1972 vermuten ließe.

    Das Nein-Sagen beim Anblick von Wolle fällt mir schwer, wie ich es an verschiedenen Stellen bereits beschrieben habe. Im November kam erschwerend hinzu, dass mein lokaler Wolldealer ankündigte, zum Ende des Jahres seine Tore zu schließen, und als kleines Abschiedsgeschenk zwanzig Prozent Preisnachlass auf das gesamte Sortiment versprach.

    Die teuere Tynn Silk Mohair zu einem erschwinglichen Preis – ich konnte nicht widerstehen.

    Zusammen mit der Sandnes Sunday sollte es der zweifädig gestrickte Ballon Sweater werden, ein weiteres Modell von PetiteKnit, für das ich mir die Anleitung bereits vor einiger Zeit besorgt hatte.

    Beim Stricken der Halsöffnung stellte ich jedoch schnell fest, dass nicht nur mein Körper andere Proportionen als der der Designerin aufweist, auch mein Kopf weist einen höheren Umfang auf als erwünscht.
    Die Option, den Pullover größer stricken zu können, verwarf ich schnell. Das leichte Gefühl von Klaustrophobie ließ sich nicht mehr vollständig vertreiben.

    Kurze Planänderung und ich hatte mich für das Stricken eines zweiten Exemplars des Sunday Sweater Mohair entschieden. Etwas dicker in der Garnkombination, da laut Anleitung zweifädig mit der Tynn Silk Mohair.

    Nun stricke und stricke ich seit einigen Wochen gemählicher als sonst vor mich hin. Das Muster ist bekannt, die Maße stimmen. Alles ist gut, der Frühling kann kommen!

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  • Aus dem Leben,  Wolle

    Geduldsfaden

    In meinem vorletzten Beitrag hatte ich bereits angekündigt, dass der Festival Sweater mir beim Stricken nicht durchgehend Freude bereitet hat. Das ist recht diplomatisch ausgedrückt – aber mit etwas Abstand sehen die Dinge in der Regel etwas undramatischer aus, als sie wirklich sind. Und: das Ergebnis ist gut!

    Aber der Reihe nach …

    Petiteknit hat wieder neue Modelle auf den Markt geworfen und ich konnte nicht NEIN sagen. Der Festival Sweater sprach mich sofort an, da er – schmal geschnitten und mit schlichtem Muster – sicherlich halb-elegant in Kombination mit anderen Kleidungsstücken daher kommen würde.

    Erster Experimentpunkt war, dass ich mich gegen das angegebene Garn Double Sunday entschied, da es aus eigener Erfahrung zur sehr starkem Pilling neigt und ich in Foren ähnliches gelesen hatte. Soviel habe ich gelernt: je unbehandelter die Wolle, desto stärkeres Pilling. Ich hatte keine Nerven für einen weiteren Knötchen-Pullover und hielt nach einer robusteren Wolle mit ähnlicher Lauflänger und Maschenprobe bei Sandnes Ausschau. Schließlich habe ich mich für die Qualität Smart entschieden, ein Superwash Garn, das überwiegend für Kindermodelle verwendet wird.

    Die Maschenprobe war einwandfrei, ich strickte mit den angegebenen Nadelstärken. Für das Noppenmuster brauchte ich einige Anläufe, bis ich auch alle drei Maschen zum Zusammenstricken auch immer sauber erwischte. An der breitesten Stelle (Rumpf- und Ärmelmaschen zusammen auf einer Nadel) angekommen schwante mir dann, dass ich ein ähnliches Problem wie bei dem Sunday Sweater – Mohair Edition bekäme, wenn ich meine Arbeit fortsetzte. Damals hatte ich mit dem Originalgarn gestrickt, die Größenangaben waren jedoch recht unscharf, so dass ich nicht nur nach einem Neustart eine Nummer kleiner strickte (S statt M), sondern auch die Nadelgröße eine halbe Größe kleiner auswählte. So auch bei diesem Pullover. Ich war leider ein zweites Mal hereingefallen.

    Generell habe ich, was Stricken angeht, einen recht langen Geduldsfaden. Ich ribbele ganze Pullover auf und stricke sie neu. Bei diesem Pullover hatte ich allerdings gefühlt mehr Zeit und Mühe verwendet als sonst: den Kragen im zweiten Anlauf angestrickt, das Noppenmuster im dritten Anlauf verstehen und sauber hinbekommen. Die Hände krampften, der Hass war groß. Ich wollte aufgeben und mit dem Garn irgendwas anderes anstellen. Aber was?

    Mit einem Tag Abstand jedoch ribbelte ich alles wieder auf, fing mit kleineren Nadeln in Größe S wieder an, bestellte ohne großes Schnaufen noch zwei Knäuel Wolle nach (weil ich mich auch hier mal wieder verschätzt hatte), brach das erste Mal versehentlich ein Paar Holznadeln durch. Und am Ende war alles gut: vor mir lag ein neuer schöner Pullover. Er trägt sich gut, er macht was her.

    Was ich jetzt auch kann: Fäden vernähen während des Strickens. Danke, petiteknit, deine Tipps entschädigen mich für den Rest!

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  • Aus dem Leben,  Kultur,  Wolle

    Rückblick und Start ins neue Jahr

    Anfang letzten Jahres warf ich einen Blick zurück auf das damals vergangene Jahr. Das möchte ich 2022 ebenfalls tun, da ich auch 2021 wieder einige interessante Bücher gelesen habe, von denen ich euch berichten möchte. Wieder waren es knapp 60 Bücher und Hörbücher, einige davon habe ich ein zweites oder drittes Mal gelesen bzw. gehört. In meiner Auswahl befinden sich diesmal neben zwei Einzelwerken auch Zusammenstellungen mehrerer Werke zweier Autoren, von denen mich einer gut unterhalten (Belletristik), der andere mich wesentlich schlauer gemacht hat (Sachliteratur).

    Ng, Celeste: Was ich euch nicht erzählte

    Über dieses Buch habe ich bereits in kurzen Sätzen nach meinem letzten Sommerurlaub berichtet. Es handelt von einer jungen Frau, die im Jahr 1977 nicht zum Familienfrühstück auftaucht und kurz danach tot aufgefunden wird. Wurde sie ermordet oder war es Selbstmord? Diese Frage ist wichtig, jedoch nicht zentral, da es im Kern um die Familiengeschichte geht. Um die Eltern, die ihren Kindheitsballast noch immer mit sich herumtragen und ungelebte Wünsche auf ihre Kinder projizieren. Leider zu wahr.

    Pollock, Lucy: Das Buch über das Älterwerden (für Leute, die nicht darüber sprechen wollen)

    Von der britische Geriaterin Lucy Pollock habe ich viel über die Folgen und Auswirkungen des Alterungsprozesses gelernt. Sie erklärt anhand von Anekdoten aus ihrem Alltag mit älteren Patientinnen und Patienten wie sich schleichend Veränderungen im Reaktionsvermögen bemerkbar machen, die Kräfte nachlassen und es schwer ist, sich einzugestehen, dass es schlauer ist, bestimmte Tätigkeiten, zum Beispiel Autofahren, ab einem gewissen Zeitpunkt einzustellen.

    Auf der anderen Seite fand ich es interessant, dass gerade Angehörige und auch Ärzt:innen aus Fürsorglichkeit den Alterungsprozess beschleunigen und die Selbstständigkeit untergraben können, indem sie beispielweise nach einem einmaligen Sturz den Patient:innen davon abraten, wieder auf ein Fahrrad zu steigen, oder der Mutter/dem Vater fast alles im Alltag abnehmen und somit den Weg ins Altersheim ebnen. Lange in den eigenen vier Wänden leben und Alltagsroutinen einhalten hilft vielen Menschen, bis ins hohe Alter selbstständig zu werden, und wenn es nur der tägliche Gang mit dem Rollator zum Bäcker ist.

    Auch fand ich interessant, wie wichtig Gespräche mit Ärzt:innen über die korrekte Medikamenteneinnahme sind. Viele Menschen nehmen verschriebene Medikamente nicht korrekt ein oder verzichten ganz auf die Einnahme, da es ihnen nicht ausreichend erklärt wird und sie Angst haben, nachzufragen. Gerade bei älteren Menschen, die häufig mehrere Medikamente gleichzeitig nehmen müssen, kann dies fatale Auswirkungen haben. Gelernt habe ich ebenfalls, dass Nebenwirkungen mancher Medikamente ausgeprägter als die ursächlichen Symptome sein können, so dass es in manchen Fällen sogar besser sein kann, sie in Rücksprache abzusetzen. Und dass Nebenwirkungen auch die Ursache von Stürzen sein können. Nicht alle Alterserscheinungen sollten laut der Autorin automatisch dem Alter zugeschrieben werden: es sei nicht «normal», wenn ältere Menschen häufig stürzten. Neben Medikamenten könne auch eine schlecht eingestellte Brille oder eine zu geringe Flüssigkeitszufuhr die Ursache sein.

    Ein letzter wichtiger Punkt: sich frühzeitig Gedanken über eine Patientenverfügung und einen digitalen Nachlass zu machen.

    Alt werden wir schließlich alle.

    Werke von Jason Starr

    Von dem US-amerikanischen Autoren Jason Starr habe ich bereits vor vielen Jahren die Titel Panik und Stalking gelesen, die mir bereits damals gut gefielen. Letztes Jahr überkam es mich plötzlich und ich kaufte mir alle antiquarisch verfügbaren Bände. Die Geschichten gefallen mir alle außerordentlich gut, obwohl sich die Schauplätze und Protagonisten ähneln: eine Zeitreise in das New York der 80er-Jahren mit (noch nicht) gescheiterten Männern in den 30ern, die für eine Karriere einiges in Kauf nehmen und auch vor Verbrechen nicht zurückschrecken. Alles in einem schnörkellosen Stil, häufig mit offenem Ende. Zu meinen persönlichen Bestsellern zählen Top Job, Hard Feelings und Twisted City.

    In seinen neuen Werken legt Starr eine Schippe Sex & Crime nach, der Ton wird rauer, die Handlungen teils brutaler. Die Personen sind jedoch authentisch: verzweifelt, verwirrt, verstrickt. Ich wünsche ihnen an vielen Stellen, dass sie den Absprung schaffen, aber sie verstricken sich immer mehr in ihren eigenen Widersprüchen und verpassen die Gelegenheit, auszusteigen. Sehr unterhaltsam und spannend!

    Werke von Malcolm Gladwell

    Die Bücher von Malcolm Gladwell haben mich gleichzeitig ernüchtert und sehr schlau gemacht.

    Der in Großbritannien geborene kanadische Journalist und Autor schreibt seit 1996 für The New Yorker und seit 2000 mehrere Bücher, die zu Bestsellern wurden.

    Folgend meine zwei Favoriten:

    In Die Kunst, nicht aneinander vorbeizureden erläutert Gladwell anhand verschiedener Beispiele, weshalb Zusammentreffen mit Menschen, die wir nicht kennen, so häufig scheitern (der Übersetzungstitel ist etwas irreführend, der Originaltitel lautet Talking to Strangers). Aus Unkenntnis der Erwartungen und Empfindungen des fremden Gegenübers reden wir aneinander vorbei.

    Drei interessante Beispiele:

    • Chamberlain traf sich mit Hitler und war anschließend überzeugt, «dass nun jeder von uns den Standpunkt des anderen versteht».
    • Haftrichter gehen davon aus, dass sie ein korrektes Urteil über die mögliche Freilassung auf Kaution aussprechen, wenn sie den Angeklagten von Angesicht zu  Angesicht gegenüberstehen. Eine Untersuchung der Harvard-Universität zeigt jedoch, dass ein Computerprogramm – mit denselben Daten gefüttert, die die Staatsanwaltschaft den Richtern vorlegt – den menschlichen Richtern haushoch überlegen ist. «Die Angeklagten, die der Computer auf Kaution freigelassen hätte, begingen in der Zeit vor dem Prozess mit einer um 25 Prozent geringeren Wahrscheinlichkeit eine Straftat […].»
    • Unternehmen sind überzeugt, bessere Entscheidungen in der Personalauswahl treffen zu können, wenn sie zukünftige Beschäftigte zu stundenlangen Vorstellungsgesprächen einladen, anstatt die Auswahl anhand der Bewerbungsunterlagen vorzunehmen (speziell zu diesem Thema sei mir noch der Hinweis auf den großartigen Wirtschaftspsychologen Prof. Uwe Kanning erlaubt, der viel zu diesem und anderen Mythen rund um das Personalmanagement an der Universität Osnabrück forscht und sein Wissen neben zahlreichen Publikationen auch in kurzweiligen Youtube-Videos vermittelt).

    In der Rezension des Verlages Piper heißt es:

    Gladwell gibt unserer Kommunikation einen Rahmen: Sein Buch ist eine kluge Analyse der psychologischen und kulturellen Faktoren, die unser Reden und Verhalten bestimmen. Und es ist ein Ratgeber in Zeiten, in denen überall Missverständnisse lauern, weil wir uns heute mehr denn je mit Menschen verständigen müssen, die uns nicht vertraut sind.

    Das Buch Überflieger: warum manche Menschen erfolgreich sind wird allen denen ein Dorn im Auge sein, die der Überzeugung anhängen, Erfolg und Glück seien überwiegend auf persönliche Leistung zurückzuführen («jeder ist seines eigenen Glückes Schmied»).

    Anhand zahlreicher Beispiele zeigt er auf, dass Menschen im Wesentlichen erfolgreich werden, da sie

    • das Glück hatten, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort und meist in privilegierten Verhältnissen geboren zu werden. Bill Gates hätte beispielweise nur wenige Jahre früher oder später geboren entweder noch nicht die technischen Möglichkeiten zur Verfügung gehabt bzw. wäre wahrscheinlich von anderen zu einem späteren Zeitpunkt überholt worden. Zudem hatte er durch sein Elternhaus die Chance, an einer Eliteuniversität zu studieren. Würde er aus weniger priviligierten Verhältnissen stammen, hätte er diese Option niemals gehabt.
      Selbst ein hoher Intelligenzquotient ist kein Garant für Erfolg.
    • mehr als 10.000 Übungsstunden hinter sich haben, um Experte in ihrem Bereich zu werden. Talent spielt eine eher untergeordnete Rolle. Die Beatles hatten vor ihren ersten Live-Auftritten in Hamburg bereits Tausenden von Stunden zusammen in Proberäumen und auf Bühnen verbracht.
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  • Wolle

    Evergreen reloaded?

    Nun ist er fertig, der Louvre Sweater.

    Wie ich bereits schrieb, ist er meinem ersten Rollkragenpullover recht ähnlich. Diesen musste ich leider irgendwann aussortieren, da Kragen und Ärmel immer länger und weiter wurden. Und obwohl er zuletzt recht unansehlich war, habe ich ihn vermisst, als er nicht mehr da war.

    Hat der Nachfolger jedoch wirklich das Zeug, seinen Platz einzunehmen und ein zweiter Evergreen zu werden?

    Ich denke ja, zumal er zwei Vorzüge gegenüber dem ersten Modell hat (die auch hoffentlich ein langes Tragen garantieren werden):

    • er sieht durch seinen Schnitt (keine Nähte, eng anliegender Rollkragen) etwas edler aus, ist entsprechend auch vielseitiger kombinierbar (mein persönliches Qualitätskriterium)
    • die Wollqualität verspricht mehr Stand* – mal sehen, wie lange es dauern wird, bis die Schwerkraft sich bemerkbar macht

    *diesen Stand habe ich zusätzlich versucht zu verstärken, indem ich alle Bündchenmuster mit verschränkten Maschen gearbeitet habe

    An das Gefühl von Schurwolle, die üblicherweise etwas kratziger ist als mehrfach behandelte Wolle, kann man sich gewöhnen. Am Hals zwickt es manchmal, aber so ergeht es mir mit anderen Wollqualitäten auch. Und solange ich ein wenig Pieksen in Kauf nehmen kann, wird mich nichts in dieser Welt davon abhalten, wunderbar warme und schöne Kleidungsstücke aus Wolle zu tragen.

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