Allgemein
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Sensommeren
Der Sommer neigt sich dem Ende.
Im obligatorischen Dänemark-Urlaub wurde wieder viel verpuzzelt (diesmal 6000 Teile), gelesen und gestrickt.
Der bereits vor einiger Zeit fertiggestellte Sunday Sweater Mohair hatte seine Premiere an der Nordsee. Das gemeinsame Verstricken des Sunday-Garns und der Tynn Silk Mohair (statt Tynn Silk Mohair zweifädig) macht den Pullover insgesamt ein wenig dicker, verleiht ihm jedoch ein wenig mehr Stand. Zudem gefällt mir die Farbe außerordentlich gut.
Dank guten Lichts konnte ich im Urlaub an meiner dreifädig (!) gestrickten September Jacke schneller weiterarbeiten, und musste nicht – wie bei Kunstlicht – alle paar Reihen nach den verloren gegangenen Maschen suchen, was jedes Mal immens aufhält.
Das war meine Urlaubslektüre:
- 22 Bahnen (Caroline Wahl): Einblicke in das Aufwachsen einer Tochter mit einer alleinerziehenden, alkoholabhängigen Mutter, die mit hohem Verantwortungsbewusstsein ihrer kleineren Schwester gegenüber langsam ein eigenes Leben zu leben beginnt
- Verworrene Verhältnisse (Joy Fielding)
- Letzte Ehre (Friedrich Ani)
- Der weiße Hai (Peter Benchley): Die Romanvorlage des bekannten Klassikers aus dem Jahr 1975.
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Rückblick und Start ins neue Jahr
Willkommen im Jahr 2023!
Es wieder Zeit für einen literarischen Rückblick. 2022 waren es weniger Bücher als im Jahr davor. Ein dicker Wälzer liegt noch immer auf meinem Nachttisch, in dem ich von Zeit zu Zeit lese. Herr Kahneman lädt zum langsamen Denken ein, es braucht eben seine Zeit.
Folgend meine drei liebsten Bücher der vergangenen zwölf Monate.
Gorkow, Alexander: Die Kinder hören Pink Floyd
Das Buch von Alexander Gorkow fiel mir kurz vor Weihnachten in die Hände. Jugend in der Vorstadt der 1970er Jahre in Nordrhein-Westfalen. Ein zehnjähriger Junge (der Autor), eine sechs Jahre ältere herzkranke Schwester. Der Zauber der Musik von Pink Floyd, der ihnen hilft, für kurze Momente aus ihrer kleinbürgerlichen Umgebung auszubrechen.
Die Sache mit der Kuh: Ich sitze vor dem Biedermeier-Sekretär auf dem Parkettboden der Gartenwohnung auf der Dietrich-Bonhoeffer-Straße 1. Es ist eine der ersten Erinnerungen. Wie alt bin ich? Fünt? 1971? Roger Waters singt «If». Ein Mann, sagt die Schwester, singt davon, dass er nicht in diese Welt gehört. […] Ich betrachte das Cover der Langspielplatte Atom Heart Mother. Eine Kuh steht auf einer Wiese, wir sehen sie von hinten, aber sie wendet sich zum Betrachter um. «Atme!», ruft die Schwester. Sie zieht das Cover von Atom Heart Mother weg. […] Der Name der Band – Pink Floyd – ist auf dem Cover nicht zu sehen. Man sieht nur die Kuh. Die Schwester erklärt, die Kuh sei ein Symbol, sie stehe für eine Mutter mit einem atombetriebenen Herzen, sie ist die Atom Heart Mother. Die Kuh und ich wachsen zusammen auf. Sie ist das erste Bild (Seite 50)
Neben der Musik, bietet auch das örtliche Kino gelegentlich ein wenig Flucht, auch wenn hier die Zeit stehen geblieben zu scheint. Im Balkan Grill holen die Kinder regelmäßig Zigaretten für die Eltern.
Das Licht geht aus, die Schwester und ich verstummen routiniert, und während die Düsseldorfer Lichtspielhäuser sich bereit machen für die Ankunft vom Weißen Hai, fummlen die Horstbroichs wieder den guten, alten Godzilla von 1954 in den Projektor. Wenn man sich umdreht und über die hohe, polierte Lehne aus dunklem Holz nach hinten schaut, sieht man, wie Herr Horstbroich weit oben aus der Scharte in der Wand herausgukct, das Fenster ist während der Vorstellung geöffnet. Herr Horstbroich brollt: «Füße runter von der Vorderlehne!», wir schreien auf vor Schreck. Herr und Frau Horstbroich drehen zunächst an der Spule rum, zerren und klemmen, bis der flatternde Streifen verhakt ist. Herr Horstbroich flucht, dann rasselt hinten alles stramm los, vorne geht der Vorhang auf, es erscheint ein Dia mit Werbung vom Balkan Grill gegenüber. Man sieht die mir bekannten Jugoslawen lachend auf eine Gurman-Platte zeigen, darüber steht: «Na, auf den Geschmack gekommen? Restaurant Balkan Grill! Gleich gegenüber!» Das Dia verschwindet. Dann erscheint Godzilla, die Echse, die nie wirklich eine Ahnung hat, was eigentlich los ist (Seiten 91-92).
Der Vater lebt in seinen alltäglichen Routinen der FAZ-Zeitungslektüre, des Nachrichten-Schauens und der regelmäßigen Giftzufuhr für seine Rosen.
Der Satz des Vaters zum Nachbar Kallen, am Zaun: «Jupp, ich sprüh gleich. Meine Rosen brauchen ihr Gift.» Die lange Pause, bis Jupp Kallen antwortet: «Ja.» Nach einer weiteren langen Pause, die beide Männer nutzen, um sich zu fixieren, sagt Jupp Kallen: «Ich sprüh morgen.» (Seite 58)
Der Vater ist Jazz-Liebhaber, der Schallplattenspieler im Wohnzimmer steht immer zum Abspielen der neuen Pink-Floyd-Platten bereit. Sein stotternder Sohn bereitet ihm Sorgen, mit denen er jedoch umgehen kann. Seine Tochter hingegen reißt ihn aus seiner Welt, in der er es sich gemütlich eingerichtet hat. Dabei ist der Dauerdisput, ob Pink Floyd eine Jazz- oder Rockband sei, ein Nebenkriegsschauplatz. Die gegensätzlichen politischen Einestellungen der beiden und die zunehmend rhetorische Überlegenheit der Tochter führen zu spannungsreichen Dialogen. Dazwischen die Mutter, die stets mit einem alkoholischen Getränk für Versöhnung plädiert.
«Das System», referiert die Schwester, «betriebt die Ruhigstellung der Massen durch fadenscheinige Angebote, vor allem durch das Fernsehen. Geh hoch zu Herrn Kothen und seinem Spastisohn, da hängt ein Ölporträt aus dem Kaufhof an der Wand, es zeigt Peter Alexander. Ich sage nur: Heino, Cindy und Bert, Peter Alexander. Herr Kothen ist betäubt. Er führt ein entfremdetes Leben.»
[…]
«Und dann wüsste ich gerne», brüllt er, «wer, wenn 100 000 junge Menschen zum Jazzkonzert von Pink Floyd in die Philipshalle wollen, aber nur 7000 in die Philipshalle passen, wer dann für Ordung sorgen soll? Die Polizei ist hilfreich, bevor ihr euch tottrampelt, und vielleicht würden einige der jungen Beamten selber lieber dem Jazzkonzert der Pink Floyd in der Philipshalle zuhören statt bei der SS oder SA Dienst zu schieben, nicht wahr, oder was?!»
Sie zieht an der Camel, inhaliert, sagt nur: «Rock. Kein Jazz.»
«Die Jungs kommen vom Jazz!», brüllt er: «Lass auch das meine Sorge sein! Dein Vater weiß, wer vom Jazz kommt und wer nicht!»
«Naja, es ist jedenfalls Rock.»
«Die Jungs kommen vom Jazz!»
Die Mutter: «Möchte denn jetzt wer einen schönen Campari? Mit Eiswürfeln?» (Seite 128)
Gegen Ende des Buches gibt es einen Zeitsprung in die Gegenwart, in der es zu einer Begegnung mit den Idolen von einst kommt. Ein großartiges Buch – zum Lachen und zum Weinen – auch für Zeitreisende, die dieses Jahrzehnt nie erlebt haben.
Wood, Wendy: Good habits, bad habits
Auf die Psychologin Wendy Wood wurde ich über den SZ-Artikel «Kann man Selbstdisziplin lernen?» im März 2020 aufmerksam. Die Wissenschaftlerin erforschte, ob das Erreichen von Zielen (z.B. regelmäßig Sport treiben, mit dem Rauchen aufhören, abnehmen) abhängig von der Selbstdisziplin eines Menschen sei. Die deutsche Übersetzung ihres Buches, in dem sie ihre Ergebnisse präsentiert, erschien im Januar 2022.
Drei Viertel der US-Amerikaner:innen glauben, dass ihr Scheitern an mangelnder Selbstkontrolle läge. Es kommt jedoch nicht auf Disziplin und Selbstkontrolle an, wie Wendy Wood anhand zahlreicher Untersuchungen belegen kann, sondern darum, gute Gewohnheiten ausbilden, die mit unseren Zielen übereinstimmen. Auch die Persönlichkeit spiele keine Rolle.
Der Gesamtprozentsatz von Handlungen, die von Gewohnheit regiert werden (z.B. Körperhygiene, Sport, Entspannung) liegt bei etwas über 43 Prozent. Es gibt Menschen, die in einigen Lebensbereichen bereits gute Gewohnheiten ausgebildet haben. Sie ernähren sich vielleicht gesünder oder bewegen sich regelmäßig. Es fällt ihnen leichter, da sie dies vielleicht schon seit Kindertagen so machen.
Es ist jedoch möglich, auch im Erwachsenenalter gute Gewohnheiten auszubilden.
Folgende Aspekte sind hierbei wichtig.
- Kontext: Der Kontext spielt eine wichtige Rolle. Menschen, die umziehen, ändern z.B. ihr Wahlverhalten. Eine große gesellschaftliche Änderung brachte das Nichtrauchergesetz mit sich. Wie in den USA brachte es auch in Deutschland den gewünschten Erfolg, dass die Anzahl der Raucher:innen zurückging. Weshalb? Die Gewohnheit wurde unterbrochen, sich am Tisch im Lokal eine Zigarette anzünden zu können. Man musste nun vor die Tür gehen, im Winter vorher noch eine Jacke ausziehen, im Regen stehen. Der übliche Ablauf war gestört, das Rauchen wurde mühsamer.
- Gewohnheit: Um neue Gewohnheiten auszubilden, sind Wiederholungen das A und O. In der Wissenschaft gibt es verschiedene Theorien darüber, wie lange der Prozess dauert, dass man von einer neuen Gewohnheit sprechen kann. Es finden sich Zahlen zwischen 21 und 66 Tagen, je nach Thema und Randbedingungen. Wesentliche Herausforderung während der Etablierung neuer Verhaltensweisen ist die gleichzeitige Abwehr alter Gewohnheiten.
- Belohnung: Dopamin-Ausschüttungen sind wichtig, um das Ziel im Blick zu behalten. Diese können intrinsisch oder extrinsich erfolgen.
Die Autorin illustriert anhand verschiedener Beispiele, wie wir gute Gewohnheiten aufbauen und schlechte Gewohnheiten abbauen können. Dabei versäumt sie auch nicht, von ihren eigenen Schwierigkeiten zu berichten. Das regelmäßige Joggen gelang ihr beispielsweise erst, nachdem sie abends mit Joggingkleidung ins Bett ging und ihre Laufschuhe direkt vors Bett stellte.
Ng, Celeste: Kleine Feuer überall
Eine Autorin, die bereits in meinem letzten Jahresrückblick Erwähnung findet und deren zweites Buch ich – wie ihr erstes («Was ich euch nicht erzählte») – im Sommerurlaub gelesen habe und euch bereits in sehr (!) kurzen Worten vorgestellt habe.
Das Buch spielt in einer Kleinstadt in Ohio. Das durchstrukturierte Leben einer sechsköpfigen Familie (Mutter Journalistin, Vater Anwalt) wird durch das Erscheinen der unkonventionellen Fotografin, die mit ihrer Tochterein Nomadenleben führt, erheblich durcheinander gewürfelt.
Intrigen, Falschinformationen, Rassismus, üble Nachreden – aus solchen Bausteinen ist der spannungsreiche Roman zusammengefügt, dessen Gegenwartshandlung zu der Zeit spielt, als ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Clinton angestrengt wird.Das auf mehreren Ebenen durchgeführte Kernthema bildet die Überlegung, was familiären Zusammenhalt ausmacht, was Eltern und Kinder letztlich verbindet oder trennt und was Mutterschaft bedeutet.„Was macht jemand zu einer Mutter? War es allein die Biologie, oder war es Liebe?“ – diese fast plakativ formulierten Fragen prägen den mustergültig geplotteten Roman, der ein Lehrstück für Creative-Writing-Kurse werden könnte. Und überdies: Die Geschichten, die Celeste Ng zu erzählen weiß, sind herzzerreißend, ja.(Quelle: Deutschlandfunk Kultur, 30.08.2018) -
Pulloverkanone :: Rollkragenpullover mit Zopfmuster, Part one
Meine Wollpakete sind mittlerweile beide eingetrudelt und im Kleiderschrank verwahrt. Zuerst kam die Alpaka-Wolle, die ich zu einem wesentlich günstigeren Preis bestellen konnte. Sie ist wirklich sehr flauschig, und die Farbe so, wie ich sie mir vorgestellt habe – ein schönes kupferorange.
Es ist für mich sehr ungewohnt, nach den vielen RVO-Pullovern wieder einmal Vorder-, Rückenteil und Ärmel separat zu stricken. Dank der großen Nadeln (6 + 7) sind die Knäule schnell aufgebraucht. Auch hier bin ich auf Nummer sicher gegangen und habe statt der erfordelichen 16 für 800 g lieber eins mehr bestellt. Das Zopfmuster ist leicht umzusetzen. Neu gelernt habe ich das Stricken links verschränkter Maschen bzw. das Zusammenstricken zwei verschränkter Maschen. Die verschränkten Maschen im Bündchen ergeben ein schöneres Bild als wenn man sie „normal“ strickt, da die Maschen nicht so auseinanderfallen. Zum Bestimmen der Höhenmaße bin ich mittlerweile dazu übergegangen, die Reihen entsprechen auszuzählen. Zu oft passiert es mir, dass ich zu unterschiedlichen Messergebnissen komme, je nachdem ob ich das Strickstück im Liegen oder hängend messe. Die Ärmel werde ich wieder auf einer Nadel stricken. Das etwas aufwändige Blocken wird notwendig sein, aber bestimmt zu guten Resultaten führen.
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Das Kleid
Mit aufwendigen Etui-Kleidern scheint es wie im Tischlerhandwerk zu sein: das Möbelstück ist fertig, aber die Oberflächenbearbeitung nimmt noch einmal dieselbe Zeit in Anspruch. Bei dem Kleid war es das Annähen des Futters an Armausschnitten und am Reißverschluss sowie das unsichtbare Säumen. Aber die Arbeit hat sich gelohnt – es sieht nun so aus, wie ich es mir vorgestellt habe und der Tragekomfort ist hoch!
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Vernachlässigte Wolle
Das erste Mal seit vielen Jahren, in denen ich intensiv stricke, ertappe ich mich dabei, dass ich keine Lust habe, meine Nadeln in die Hand zu nehmen. Dafür fühlt sich das Nähen gerade viel besser und leichter an.
Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich in der letzten Zeit eine Reihe an Näherfolgen hatte — einmal bedingt durch einfache, leicht umzusetzende Schnitte, guten Stoff und dann durch die Routine, die sich einstellt.
Mein letztes Werk ist der Rock Annalisa von schnittchen.com, dessen Schnitt ich längere Zeit nicht anrührte, da mir das dazugehörige T-Shirt im Nachhinein so wenig gefiel. Nach vielen Jersey-Näherfahrungen wollte ich mal wieder mit einfachem Baumwollstoff arbeiten: rollt sich nicht, lässt sich besser schneiden und bügeln. Ein lässiger Spaziergang!
Ich entschied mich für einen marineblauen Stoff sowie türkisfarbenen Stoff für die Taschenbeutel. Der Rock war schnell und problemlos genäht. Das Gummiband hatte ich zunächst etwas großzügig bemessen, nach kurzer Korrektur hatte es dann die passende Länge.
Zwei Bilder, zwei Farbtöne:
das erste Bild ist drinnen aufgenommen und entspricht dem eigentlichen Farbton. Auf dem zweiten Bild seht ihr mich dafür im Sonnenschein mit passender(er) Garderobe.
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