• Kultur

    Kleine Philosophie der Macht

    Ich wünsche für die Frauen keine Macht über Männer, aber die Macht über sich selbst
    (MARY WOLLSTONECRAFT)

    Zum Jahresende habe ich ein Buch gelesen, das bereits länger auf meiner (feministischen) Buchliste stand: „Kleine Philosophie der Macht – nur für Frauen“ von der Philosophin und Autorin Rebekka Reinhard.

    Es ist unterteilt in drei große Themenblöcke, angereichert mit praktischen Tipps am Ende eines jeden Kapitels. Ich habe es fast in einem Rutsch durchgelesen und gleich an eine liebe Freundin weiterverliehen, obwohl ich meine „Aufzeichnungen“ noch nicht abgeschlossen hatte. Vielleicht auch gut, denn mir haben viele Passagen sehr zugesagt, so dass die Zitatfülle sehr dicht ist, und höchstwahrscheinlich noch dichter wäre, hätte ich das Buch noch in den Händen.

    Frau Reinhard beginnt im ersten Teil ihres Buches mit dem Hauptproblem vieler Frauen, zu perfektionistisch sein zu wollen, was zu Ohnmacht, Neid, respektlosem Umgang mit der eigenen Lebenszeit und der Angst zu Scheitern führe.

    Die moderne Frau wird nicht zur Perfektionistin, weil sie es (wirklich) will. Sie wird es aufgrund ihrer Außenlenkung. Weil sie von den anderen anerkannt werden will. Ist ihr Motiv nicht allzu verständlich? Braucht nicht jeder Mensch Anerkennung, egal welchen Geschlechts, welchen Alters, welcher Epoche?  […] Wenn man die „Ich muss“-Frau ‚liked‚, ihre übermenschlichen Leistungen mit „Super“ quittiert, motiviert man sie ganz und gar nicht, den Schleuderprozess ihrer kleinen grauen Zellen abzustellen und ihre Gedanken in eine andere Richtung zu drehen. Man spornt sie vielmehr an, sich auch weiter konform zu verhalten, nicht auszuscheren und kontinuierlich vor sich hin zu ameisen. […] Hinter dem „Ich muss“ verstecken sich unangenehme Gefühle, die mit den Erwartungen und de Situation anderer Leute zu tun haben. Schuldgefühle. Versagensangst. Stressangst. Angst, nicht mithalten zu können. Im Wettlauf um den Titel der besten Mitarbeiterin, der beliebtesten Kollegin, der empathischsten Ehefrau, der coolsten Mutter nur Platz zwei zu belegen. Und Neid. Neid? Jawohl. Neid auf die Männer, die weniger kämpfen müssen als wir. Und Neid auf die anderen Frauen. Besonders auf die, die irgendwie alles besser machen als wir. Irgendwie immer glücklicher sind. Der Neid ist ein Verwandter der Eifersucht und des Hasses. […] Je perfektionistischer die moderne Frau, desto außengelenkter. Begegnet die Außengelenkte einer Frau, die ihr perfekter erscheint als sie selbst, ‚muss‘ sie sich verletzt, gekränkt fühlen. Was sie durch all ihr Denken und Tun zurückzudrängen versuchte, erfasst sie nun mit voller Wucht: Ohnmacht. Ohnmacht gegenüber denen, die ihr ihre Unzulänglichkeit spiegeln. Ohnmacht aber auch sich selbst, dem eigenen Leben gegenüber. Die Folge dieser demütigenden Erfahrung ist jedoch nicht, dass die Perfektionsarbeiterin alles stehen und liegen lässt und versucht, mächtig zu werden. Die Folge ist vielmehr, dass sie einen Zahn zulegt. Ihre grauen Zellen schleudern wie wild ihre Berechnungen, Bewertungen und Befürchtungen heraus, sie erledigt alles noch schneller, noch gleichzeitiger, noch selbst-beherrschter, noch perfekter. Und immer noch bleibt die echte Anerkennung aus. Obwohl sie nichts tut, als sich anzustrengen … bis irgendwann nicht mehr alles so „Super!“ ist. (S. 39-41)

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  • Aus dem Leben,  Kultur,  Wolle

    Dänemark-Erlebnisse

    Dänemark ist ein wunderbares Urlaubsland – und kaum bin ich wieder zu Hause, könnte ich gleich wieder hinfahren.
    In den zwei Wochen in unserer kleinen Hütte konnte ich viel Ruhe genießen, Kraft tanken und vielen Tätigkeiten mit Muße nachgehen, die mir im Alltag verloren gehen.

    AußenspiegelDK

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  • Kultur

    Ja, aber

    Einen lang gehegten Lesewunsch habe ich vor kurzem umgesetzt – und wurde nicht enttäuscht.

    Der Roman „Aberland“ von Gertraud Klemm ist ein sehr treffendes Portrait über zwei Frauen verschiedener Generationen (Mutter und Tochter), die sehr unterschiedliche Leben führen, jedoch in dieselben Weiblichkeitsfallen tappen. Beide machen sich abhängig von ihren Ehemännern, die sie nur halbherzig lieben, und sich deshalb von Zeit zu Zeit Nähe und Anerkennung bei anderen Männern suchen. Sie scheinen gefangen in gesellschaftlichen Konventionen, beide auf ihre Weise.

    Die Tochter trauert ihrer begonnenen Dissertation über Zebrafische nach, die sie nach der Geburt ihres Sohnes auf Eis gelegt hat, und zu der er ihr nun, wo dieser größer ist, der Zugang abhanden gekommen scheint. Alles kostet so viel Mühe und Kraft, da wäre es doch einfacher, sich ganz der Mutterrolle zu widmen, um diese Gehirngespinste, ihren Mann zu verlassen und zusammen mit dem Sohn zu leben, eigenes Geld zu verdienen, zu vertreiben.

    Die Mutter hat sich nach der ersten Affäre ihres Mannes von einem Notar durchrechnen lassen, was ihr im Falle einer Scheidung zustehen würde, und nach dem ernüchternden Ergebnis diesen Gedanken wieder verworfen.

    Getraud Klemm erzeugt durch ihren Schreibstil mit vielen langen Sätzen eine gewisse Atemlosigkeit. Und so erging es mir auch beim Lesen: ich war atemlos, hin- und hergerissen, ob mich die geschilderten Situationen traurig machen, wütend machen oder belustigen sollten. Das Ende des Buches lässt einen positiv hoffen, keine wirkliche Wende, aber ein neuer Anfang.

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  • Aus dem Leben,  Kultur

    Verspätet zum Weltfrauentag

    In diesem Jahr gibt es Gründe, weshalb ich erst jetzt Zeit finde, über den Weltfrauentag etwas zu schreiben, der mir – wie ihr wisst – sehr am Herzen liegt.

    Im Betrieb hatte der Personalrat und die Gleichstellungsbeauftragten ein buntes Programm für die weiblichen Beschäftigten erarbeitet: morgens gab es von den Personalrätlern ab 6:30 Uhr Rosen am Eingang, nachmittags boten die Gleichstellungsbeauftragten für beide Geschlechter einen Dokumentarfilm mit anschließender Diskussion an, und am Abend hatten die ver.di-Frauen einen kostenlosen Kinobesuch für den Film „Suffragette – Taten statt Worte“ organisiert, von dem wir einige Plätze ergattern konnten. Vorher trafen wir uns noch zu einem leckeren Essen.

    Lehrreich war – wie in jedem Jahr – sich darüber bewusst zu werden, dass für unsere heutigen Rechte viele Frauen gekämpft haben und teilweise ihr Leben gelassen haben. Dass wir auf dem Wahlzettel ein Kreuz machen dürfen, arbeiten dürfen, ohne jemanden um Erlaubnis zu fragen, studieren dürfen u.a. sind Errungenschaften, die wir würdigen sollten. Es befremdet mich, dass gut augebildete Frauen es als eine Last emfinden, nach der Elternzeit wieder arbeiten zu gehen, sich nicht für ihre Rente interessieren und ihre aufgegebene Unabhängigkeit scheinbar genießen. Diese Entscheidungen behindern die Bereitschaft vieler Männer, ihre 50 % im Haushalt und in der Familienarbeit zu leisten.

    Folgende jüngst erschienenen Umfrageergebnisse zum Thema „Verzicht von Männern wegen ihrer Vaterschaft“, die der WDR durchführte, lassen mich blinzeln, um sicher zu gehen, dass die Zahl 2016 wirklich stimmt, sich kein Fehler eingeschlichen hat, und vielleicht doch das Jahr 1950 gemeint ist.

    Quelle: Twitter WDR - Auf was mussten Sie wegen Ihrer Vaterschaft verzichten?
    Quelle: Twitter WDR – Auf was mussten Sie wegen Ihrer Vaterschaft verzichten?

    Wen die internationalen Zahlen interessieren, der schaue sich den jährlich erscheinenden Global Gender Gap Report an.

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  • Kultur

    Schön sein …

    Gestatten: Ich bin Feministin. Wenn ich diese Selbstbezeichnung wähle, dann ernte ich oft Verwunderung, Belustigung und manchmal auch Ablehnung. Feminismus, so denken viele, ist spätestens jetzt überflüssig, lächerlich, aberwitzig. Für manche ist die Sache mit der Emanzipation der Frauen sogar schon zu weit gegangen. Das alles würde ich zu gern glauben und mich anderen Dingen im Leben zuwenden. Aber dann merke ich, dass uns Frauen immer noch ein zentrales Recht fehlt: Das Recht ein Mängelwesen zu sein. Da steht ein kleines Kind vor mir, gerade fünf Jahre alt geworden, und es erklärt mir, dass es seine beste Freundin deswegen am liebsten mag, weil sie so schön ist. Dieses Kind ist meine Tochter […].

    So beginnt ein inspirierender Artikel aus meiner Lieblings-Wochenzeitung der freitag (Nr. 10 vom 5. März 2015). Die Autorin Katrin Rönicke nimmt Frauenkörper unter die Lupe, beschreibt o.g. frühes Einteilen von „schön“ und „hässlich“, das bereits kleine Mädchen bemerken und verinnerlichen. Weiter geht es um den Zusammenhang von Schlanksein und Einkommen bzw. Karrierechancen, und den Einbußen, die eine Schwangerschaft aufgrunddessen mit sich bringt. Bei Männern spielen diese Aspekte keine Rolle.
    Ein aktuelles Thema, dem sich (glücklicherweise) wieder viele Autorinnen, Bloggerinnen widmen. Stoppt den gruseligen Backlash!

    Der Artikel endet mit folgenden Worten:

    Ich bin Feministin, weil ich das alles nicht will. Ich will, dass meine Tochter Schönheit icht mit Maßen verbindet. Ich will, dass „Vereinbarkeit“ keine Lüge mehr ist. Ich will, dass sie sich den Raum nimmt, den Männern ganz selbstverständlich gegeben wird – egal ob sie dick oder dünn, groß oder klein, Mutter oder kinderlos, brünett und weiblich oder blond und burschikos ist. Kurz: Ich will, dass Männer und Frauen sich gleichermaßen um das Soziale, das Ökonomische und das Politische in der Gesellschaft kümmern. Hand in Hand.

     

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