Zwischen Pulloverpausen und Kräuterkrisen – Gärtnern in Etappen
Der Pullunder wollte eigentlich ein Pullunder bleiben. Doch wie das manchmal so ist: Man strickt, man zweifelt, man ribbelt – und ehe man sich versieht, hat man ein Pulloverprojekt auf den Nadeln, das sich zieht wie der letzte Februartag. Aber während sich die Maschen langsam in die Länge ziehen, wächst draußen (und drinnen) mein zweites Langzeitprojekt: das Gärtnern.
Angefangen hat alles während der Pandemie, ganz klischeehaft, mit einem Hochbeet. Dann kamen zwei weitere dazu – klein, überschaubar, mit dem Wunsch nach ein bisschen selbstgezogenem Gemüse zwischen Alltag und Arbeit. Drei Jahre lang lief alles erstaunlich gut. Salat, Radieschen, Kräuter – alles wollte wachsen. Dann kam das vierte Jahr – und mit ihm: die Pilze. Und die Trauermücken. Schuld war vermutlich die zu feuchte Erde – und die neue Befüllung aus dem Baumarkt. Ein Anfängerfehler, den ich heute nicht mehr machen würde. Denn ich habe gelernt: Erde ist nicht gleich Erde. Licht ist nicht gleich Licht. Und Feuchtigkeit – sagen wir so: sie kann Segen oder Verderben sein.
Heute weiß ich: die Komposterde vom Recyclinghof ist zertifiziert und enthält keine ungebetenen Gäste. Anders als die Hochbeet-Erde, die ich letztes Jahr im Gartenhandel gekauft hatte und die nicht nur Pilze, sondern auch überwinternde Trauermücken mitbrachte. Nach einem milden Winter und beschwingt durch Gründüngung schwirrten sie im Frühling immer noch durch die Beete. Erst nach konsequenter Behandlung mit einem Neudorff-Mittel und etwas Geduld kamen erste Erfolge zurück: die Radieschen kehrten zurück.
Die Kräuter waren zurückhaltender. Also begann ich ein kleines Parallelprojekt auf der Fensterbank. 24 Anzuchtversuche später blieben drei Basilikumpflanzen übrig. Dill und Petersilie kamen draußen zunächst kaum aus der Erde, schossen dann aber langsam doch noch in die Höhe. Der Koriander hingegen gab auf – immer wieder, immer zuverlässig, sowohl draußen als auch drinnen. Der Basilikum, der draußen überlebte, tut dies im Schutz des daneben stehenden Estragons. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet der eine Art Bodyguard wird?
Auffällig ist auch: der Sonnenstand scheint sich verändert zu haben. Vorletztes Jahr wuchs im vorderen Beet nichts, in diesem Jahr blüht es dort auf, während das hintere Beet vor sich hindämmert. Mein Garten hat viel Schatten – ein schmaler Lichtstreifen wandert jeden Tag durch die Fläche, aber reicht nur wenigen Stunden zum Wachsen. Auch auf der Fensterbank mangelte es an Licht. Das einzige, was dort wirklich zuverlässig funktioniert, sind die Erbsensprossen. Drei Ernten pro Topf, schnell, unkompliziert, dankbar.
In einem kürzlich besuchten Seminar zur Selbstversorgung aus dem Garten bestätigte eine diplomierte Landwirtin und Gärtnerin genau dieses Gefühl. Sie sagte sinngemäß: Gärtnern fordert unsere Frustrationstoleranz heraus. Und ja – nach dem erfolglosen letzten Jahr tat das sehr gut zu hören.
Manchmal denke ich: das Gärtnern ist wie das Stricken. Es geht selten ohne Rückschläge, man kann nie alles kontrollieren, und trotzdem bleibt es erfüllend. Man lernt – über Böden, über Pflanzen, über sich selbst. Und irgendwann, ganz ohne Eile, ist auch der Pullover fertig. Es gibt bei beiden selten sofortige Erfolge. Aber genau das ist Teil der Erfahrung – und vielleicht sogar der eigentliche Reiz daran.